Sonntag, 20. Juli 2014

Endlich ab in die Finkas

Die Zeit schreitet voran und jedes Wochenende wartet ein anderes spannendes Abenteuer auf uns.
Letztes Wochenende ging es auf eine so genannte Kaffeefinka. Das ist eine Art "Kaffee-Bauernhof" inmitten von Kaffeeplantagen, wo informationslustige Leute wie wir alles über die Herstellung des Kaffees erfahren können und zudem einige Nächte in völliger Ruhe inmitten der Natur verbringen können. Nach einer ca. 30 minütigen Busreise von Manizales aus, ging es im Taxi weiter, bis wir einen kleinen Pfad erreichten, der schließlich zu einem weiß-roten Haus führte. Es wirkte im wahrsten Sinne des Wortes paradiesisch. Obwohl nur 40 Minuten von Manizales entfernt, war die Temperatur hier tropisch warm, weshalb wir über die Anwesenheit eines Pooles direkt vor der Finka sehr erfreut waren. Sogleich wurden wir von der Besitzerin in Empfang genommen und der Kaffee stand schon bereit. Es dauerte genau 3 Minuten und wir fühlten uns wie zu Hause. Da Wochenende war, war die ganze Familie der Besitzerin samt Enkelkinder in der Finka.
Wir wurden gleich eingeladen, das erste Fußballspiel: Kolumbien gegen Griechenland, mit ihnen gemeinsam zu schauen. Das ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen. Zwischendurch wurden wir mit Kaffee zwangsernährt.
Wer denkt, dass wir Deutschen begeisterte WM-Fußballfans sind, sollte mal in Kolumbien ein WM-Spiel sehen. Es ist unglaublich, wie begeistert die Menschen hier sind und wie begeistert sie mitfiebern. Ein Grund dafür, wurde uns gemunkelt, ist wohl, dass Kolumbien nicht all zu viele Dinge hat, auf die sie "stolz" sein können. Wenn ihr Nationalmannschaft einige schöne Tore macht, lässt das natürlich die Brust schwellen. Hinzukommt, dass die letzte WM-Teilnahme der Kolumbianer schon einige Jahre zurückliegt.

Nach dem Fußballspiel wurde das Mittagessen serviert. Es war mit Abstand das bisher beste Essen hier. Wir wurden an einen Tisch geführt, der mit einer kolumbianischen und einer deutschen Fahne geschmückt war.

Für den Nachmittag war eine kleine Führung durch die Kaffeeplantage geplant. Da noch ein paar nicht Spanisch sprechende Personen hinzukommen sollten und an jenem Tage kein Englisch sprechender Führer zur Verfügung stand, wurde wir gebeten uns um die Übersetzung zu kümmern. Wie sich wenige Minuten später herausstellte, handelte es sich bei diesen Personen um drei hochgewachsene, deutsche Studenten aus Köln. Nachdem noch ein passender Sonnenhut für das Haupt auserkoren war und jeder eine Kakaobohne lutschen durfte, ging es auch endlich mit der eigentlichen Tour los. Da es doch schon einige Wochen her ist, der Kaffee jedoch einen solch wichtigen Teil Kolumbiens ausmacht, versuche ich einmal, die wichtigsten Facts zusammen zu kratzen.

  • Die Bohnen wachsen in Kirschen und zwar das ganze Jahr durch.
  • Für eine kleine Tasse Kaffee sind 100 Bohnen nötig.
  • In Kolumbien werden die Bohnen vor dem Trocknen aus den Kirschen entfernt und anschließend sortiert, denn die schlechten Bohnen schwimmen im Wasser oben. Da in dieser Schritt einen sehr hohen Wasserbedarf hat, wird z.B. in Brasilien darauf verzichtet, was natürlich die Qualität beeinträchtigt.
  • In Kolumbien werden die Kirschen noch immer händisch von unterbezahlten Arbeitern gepflückt, was zu einem höheren Preis führt, als in Ländern mit maschineller Ernte. Die Steigungen betragen zum Teil 100% und mehr.
  • Die Kaffeepflanzen werden bis zu drei mal geschnitten und werden maximal 23 Jahre alt. Anschließend werden wieder neue Setzlinge in den Boden gerammt, die nach einem knappen Jahr wieder die ersten Kirschen tragen.
  • Im Schatten wachsen größere Bohnen heran, die sie dort mehr Zeit zur Reifung haben. Die größeren Bohnen riechen weniger intensiv, schmecken aber mild und sind aus diesem Grund die erste Ware. Solche Bohnen sind in Kolumbien nur schwer zu bekommen, da die allermeisten ihren Weg zu uns nach Hause finden.
  • Bei zu viel Sonne werden die Bohnen kleiner, was dazu führt, dass sie intensiver riechen, aber der Kaffee bitterer wird. Diese bleiben in Kolumbien oder werden wegen ihres Geruchs in Kaffeeläden zum Kundenfang genutzt.
  • Alles was an Abfall bei der Verarbeitung anfällt wird entweder zu Brennholz oder zu Kompost umfunktioniert.
  • Nach dem Trocknen in einem Ofen sind die Bohnen fertig zum verschiffen. Erst in den Zielländern wird geröstet. Je heller die Röstung, desto besser, da dunkle Röstungen oft nur die mindere Qualität vertuschen sollen und aus ihr kein guter Kaffee mehr zu gewinnen ist. Dem Kaffeepulver sieht man laut Kaffeebauer gar nicht mehr an, welche Güte der Kaffee eigentlich besitzt.
Soweit was mir zum Anbau einfällt. Nun gebe ich noch ein paar Hinweise für die Zubereitung weiter, falls jemand den Anspruch von perfektem Kaffee hat.

In dem Espressoautomaten (den wahrscheinlich kein Schwein besitzt):
  • Das Kaffeepulver stark andrücken
  • Die Temperatur sollte zwischen 85 und 88°C liegen.
  • Die ideale Brühzeit liegt bei 18 Sekunden. Alles darüber führt zu mehr säure, darunter wird der Kaffee bitterer
Im italienischen Espressokocher:
  • Bis zum Ventil mit Wasser füllen
  • Das Kaffeepulver leicht andrücken
  • Sobald das geringste Pfeifen/ Brodeln zu hören ist, den Kocher vom Herd nehmen und warten, bis sich die restliche Brühe ihren Weg nach oben gekämpft hat.
In der French-Press (das Teil zum Runterdrücken):
  • Das Wasser kochen
  • Das Wasser für ca. 4 Minuten auf 85-88°C abkühlen lassen (natürlich abhängig vom Luftdruck, der zum Beispiel in Manizales nur 799 mbar beträgt. Das Wasser wird hier also nur 93°C warm)
  • das abgekühlte Wasser auf (grobes) Kaffeepulver schütten.
  • Direkt die sich bildende, schwimmende Schicht durchbrechen und das Filternetz herunterdrücken. Wird die Schicht nicht durchbrochen, kann die Flüssigkeit nur schwer durch das Netz was das Drücken erschwert.
  • Wenn die schwimmende Schicht dick ist, also viel Kaffee aufschwimmt, darf man von einer guten Qualität ausgehen

Am Folgetag haben wir uns noch eine kurze Abkühlung im Pool gegönnt, bevor es wieder nach Hause nach Manizales ging.

Cali

Die Woche darauf, ging es für mich (Michel) für fünf Tage nach Cali auf eine Exkursion zur Besichtigung von Chemie-Anlagen. Zunächst jedoch mussten wir eine kleine Verzögerung von vier Stunden über uns ergehen lassen, da der Unibus mal wieder nicht funktionieren wollte. Unter den Zielen waren zwei Alkoholanlagen zur Verarbeitung von Rohrzucker, die Brauerei Bavaria, welche das Biermonopol in Kolumbien hat sowie eine Firme die Öle und Fette zum Verzehr herstellt. 
Bis auf die Brauerei sind die Anlagen von Lecks, Pfützen, unangenehmen Gerüchen und Lärm geprägt. Aus diesem Grund hatte ich auch fast keine Chance unsere herumführenden Ingenieros zu verstehen. Trotzdem lagen immer wieder ganze, offene Kolonnen, Wärmetauscher, Drehzellenfilter etc. herum, was einfach mal richtig cool war.
Die Gegend selbst ist von unerträglich hohen Temperaturen geprägt, sowie von einem Zuckerrohrfeld neben dem anderen. Für die Stadt Cali hatten wir leider wenig Zeit. Es gibt dort zumindest erheblich mehr Touristen und alte, anschauliche Gebäude die teilweise einen mediterranen Flair versprühen.






Da in den folgenden Wochen jeweils verlängerte Wochenenden anstanden, konnten wir die Wochenenden nutzen.
Am 23. Juni sind wir zusammen mit Angela, einer Franz.-Schülerin von Julia, sowie ihrem Mann in die "Thermales del Ruiz" gefahren. Die beiden haben einen Geländewagen und anders hätte man das auch nicht geschafft. Nach 20 Minuten fahrt wurde es immer höher und damit auch spürbar kälter. Am rauchenden Vulkan vorbei haben wir einen kleinen Stop gemacht, um Federicos ferngesteuerten Flieger einmal durchs Gebirge zu jagen. Der Spaß war jedoch wegen der starken Brise schnell vorbei. Während wir uns mit dem Flieger vergnügt hatten, hatten sich von hinten ein paar Wandersleute angeschlichen, die das gleiche Ziel hatten wie wir. Es handelte sich um ein älteres Ehepaar aus Ibague sowie ihren Sohn, der Medizin studierte. Die Dame durfte vorne mit in die Kabine, die beiden Herren durften auf der Ladefläche des Pick Ups Platz nehmen. Die Therme war noch im Bau, so dass nur ein Becken zur Verfügung stand, dieses war jedoch mehr als warm genug um sich gerade noch entspannen zu können. Nach einem guten Essen ging es einen etwas anderen, abenteuerlicheren Weg zurück nach Manizales. Da sich dieses Ziel erneut mit dem der Familie gedeckt hat, durften sie erneut mit ins Auto. Die Frau war ihr ganzen Leben Violinistin in einer Philharmonie. Mittlerweile hat sie jedoch Karpaltunnelsyndrom in beiden Händen und kann deswegen ihr Instrument nie wieder in die Hand nehmen.


Die andere Finka

Das Wochenende darauf hat uns ein Kollege und Schüler von Julia zu sich und seiner Familie in ihre Finka eingeladen. Neben dem Sprachgebrauch des Wortes Finka für "Bauernhof" oder "Kaffeefarm" wird es nämlich auch als "Wochenendhaus" verwendet. Wir wurden also morgens von unserem Freund vor der Haustür abgeholt und haben uns vom "Terminal de Transporte" aus auf den Weg Richtung Finka gemacht. Diesmal wurde es nach 20 Minuten spürbar wärmer. Nachdem wir die Hauptstraße nach Pereira verlassen hatten, ging es, vorbei an riesigen Bambuswäldern und Kaffee- sowie Platanoplantagen weiter, bis wir den Busfahrer mitten in Nichts, direkt vor einer hohen Hecke zum anhalten baten. Dort gab es ein Tor das zu dem Wohngebiet hinter der Hecke führte, in dem sich auch die Finka befand. Die Häuser dort waren mal größer, mal kleiner, je nachdem ob fürs Wochenende oder als Hauptwohnsitz. Das Klima war angenehm heiß und nach wenigen Schritten waren wir an unserem Ziel angelangt. Das Haus bestand aus vier Schlafzimmern, zwei Bädern und einem großen Raum in der Mitte, in dem die Küche und sonst nicht viel war. Im Garten wuchsen Mango- und Avokadobäume, eine Kokospalme sowie ein Sternfruchtstrauch und Orangen -bzw. Limonenbäume. Im Prinzip also alles, was man zum Überleben braucht.













Hektors Vater, der pensionierter Polizeibeamter war, wie so oft, zusammen mit Hektors Onkel am buddeln. Die Ladies des Hauses haben gekocht, Tochter und Cousine haben sich mit ihren Handys beschäftigt.
Nach dem Essen konnten wir also die Gegend erkunden, wobei es nicht all zu viel zu sehen gab.  Ein paar kleinere Kneipen, weitere, ähnliche Wohngebiete und ein kleines Dorf. Rund herum wird kultiviert was sich kultivieren lässt.
Der Mangel an Wanderrouten etc. veranlasste und also zum Ausruhen, Fußball schauen, Essen...und sonst eigentlich nichts weiter.
Am nächsten Tag haben wir das Gebiet hinter der Siedlung erkundet. Nach ungefähr 10 Minuten war der Weg jedoch schon zu Ende, auch wenn die Aussicht die "Mühe" wert war. Da uns jedoch plötzlich die Erkunderlust gepackt hatte, haben wir uns kurzerhand durch das hohe, buschige Gras den Hang hinauf gekämpft. Dort  hatten wir eine noch bessere Aussicht und zudem hat sich uns ein Pfad zurück, durch ein Stück Wald eröffnet. Geendet hat der Pfad auf  einer Weide von furchteinflössenden Rindern. Da ich aus Deutschland eher Kühe und Rinder von der sanfteren Sorte gewohnt bin, hätte ich fast nicht auf Hektor gehört, der meinte, die Biester seien gefährlich. Doch selbst hinter dem Zaun kamen sie einschüchternd auf uns zu gedonnert und hätten uns die ganzen hier verzehrten Steaks wieder heraus getrampelt.

Am Sonntag haben wir uns noch ein mäßiges Deutschlandspiel gegen Ghana angeschaut, bevor wir uns mit den Eltern von Hektor zur nächsten Stadt begeben haben. Da wir zu sechst waren, konnten wir leider nicht den ganzen Weg nach Hause mitfahren. Dem Feiertag geschuldet waren alle Busse voll, so wir uns auf unsere erste Erfahrung mit den Willys einlassen mussten. Das sind alte, von der US-Armee entwickelte Geländewalzen, die als Urahn des "Jeeps" gelten und mir auch schon aus Australien bekannt waren. Hier werden sie mit bis zu 11 Personen voll gequetscht und als öffentliches Verkehrsmittel missbraucht.
Glücklicherweise war die Unbequemlichkeit schnell vergessen, da der Fahrer die kurvenreiche Strecke so gefahren ist, als läge seine Frau in den Wehen. Somit ging ein sehr erholsames Wochenende mit zittrigen Beinen und einem Puls von 140 zu Ende.




Manizaler  D-Promis

Dank des relativ guten Abschneidens der deutschen Mannschaft in der WM wurden wir von einem Zeitungsjournalisten gefragt, ob er dass nächste Spiel mit uns zusammen schauen kann und darüber ein paar Zeilen schreiben dürfte. Das Spiel war in diesem Fall ausgerechnet das Spiel gegen Brasilien, weshalb aus den paar Zeilen eine halbe Seite wurde. Die Hälfte der Informationen die wir ihm über uns gegeben haben, hat er falsch gedruckt und als er uns gefragt hat, wie wir das Spiel finden, hat ihm "unglaublich" nicht gereicht, so dass wir unser Statement in "unwirklich" umändern mussten?!?

Das Final-Wochenende ging es in den "Parque de Cafe". Dies ist ein Themenpark mitten im Kaffeeanbaugebiet, versteckt zwischen Wäldern und Bergen. Das Thema des Themenparks, hatte ich mir nach einiger Überlegung erschlossen, sodass wir uns gut vorbereitet ins Getümmel stürzen konnten.
Zunächst mussten wir mit dem Bus über Pereira nach Armenia. Dort hieß es umsteigen und eine weitere dreiviertel Stunde im Bus zum Park. Da vor Abfahrt mein schwäbisches Sparer-Gen aus welchen gründen auch immer aktiviert wurde, hatten wir nicht genug Geld für ein volles Ticket. Die günstigere Alternative war, mit sieben Attraktionen jeweils einmal zu fahren. Dies stellte sich am Ende, aus Zeitmangel, als das richtige Ticket für uns heraus. Damit konnten wir also Achterbahn, Freefallturm, Wildwasserrafting, Gokart und Seilbahn fahren. Zudem gab es ein paar schön angelegte Naturwege mit vielen Vögeln.

Wieder draußen konnten wir noch einige Worte mit den Kaffeearmbandverkäufern über die WM wechseln, bevor es wieder nach Manizales zurück ging.
Das Finale am Sonntag lief in Kolumbien um 14:00 Uhr, was einen frühen Rausch bedeutete. Zudem war der Strom im Barviertel so unstabil, dass wir ab der zweiten Halbzeit zusammen mit Hektor bei uns in der Wohnung schauen mussten.

Soviel von uns. Bald ist der ganze Spaß ja leider schon wieder vorbei. Bis dahin, keep your ears stiff ;)